Siegener Zeitung 29.8.2016
Läuferhelden im Glutofen!
Siegen 3. Siegener Sparkassen-Marathon bei über 34 Grad / Großer Erlös für Mukoviszidose-Gruppe
Schirmherrin Sabrina Mockenhaupt eilte extra aus Berlin herbei – doch mitlaufen konnte sie nicht.
Der Stuttgarter Jens Jung (TSV Siegen) mit familiären Wurzeln in Niederdielfen war der gefeierte Sieger im Frühstart-Marathon in 2:55:57 Stunden. Fotos (5): fst
fst ■ Was für eine Bruthitze! Die eigentlich grüne, schattige Strecke entlang der sieg-arena an der Eintracht wurde am Wochenende bei den „Inklusiven Lauftagen“ für alle Teilnehmer zu einem Glutofen. Beim Start zum 10-Kilometer-Lauf am späten Samstagnachmittag zeigte das Thermometer 33,7 Grad und am Sonntag, als die letzten Marathonläufer auf der Strecke waren, kletterte die Quecksilbersäule sogar hinauf auf 34,4 Grad. Im Schatten wohlgemerkt!! In der Sonne hatten die Läufer Temperaturen von weit über 40 Grad auszuhalten. Da wurde das Laufen zur Tortur und Ausrichter Martin Hoffmann und der Mukoviszidose-Gruppe als Veranstalter sind wohl ganze Felsbrocken vom Herzen gefallen als gestern in der Glutmittagshitze die letzten Marathonläufer unbeschadet ins Ziel kamen. Kein Kreislaufkollaps, keine Zusammenbrüche, keine Stürze aufgrund von Dehydrierung, Entwarnung auf der ganzen Linie. Nicht auszudenken, wenn ausgerechnet bei einer Sportveranstaltung, bei der auch viele Menschen mit Handicap, viele an Mukoviszidose-Erkrankte und unerfahrene Anfänger am Start sind, Teilnehmer gesundheitlichen Schaden genommen hätten.
Und so schwitzte das Team des DRK mit den Läufern um die Wette – hatte aber glücklicherweise so gut wie nichts zu tun. Es war die vollkommen richtige Entscheidung, die Läufe am Samstag um eineinhalb Stunden später, und am Sonntag deutlich früher als zuerst geplant zu starten und somit etwas aus der Hitze herauszuholen. Leider haben von dem Angebot des Frühstarts im Marathonlauf am Sonntagmorgen nur wenige Gebrauch gemacht: 40 Frühstarter wurden um 7 Uhr auf die Strecke geschickt – da hatten die Langläufer bei 18 Grad noch richtig gute Bedingungen. Der Rest der Marathoni wird sich geärgert haben, erst den zweiten Start um 8.30 Uhr gewählt zu haben.
Rechtzeitig zum Start des Inklusionslaufs über 2,2 Kilometer, kam auch die Schirmherrin der Veranstaltung, Sabrina Mockenhaupt an die Sieg. Deutschlands erfolgreichste Langläuferin reiste extra aus Berlin an und wollte nach ihrer Verletzungspause eigentlich auch mitlaufen. „Es tut mir echt leid, es geht noch nicht“, erklärte die Obersdorferin und kämpfte mit den Tränen, „die Verletzung ist noch nicht ausgeheilt.“ Nach dem Startschuss nahm sich der heimische Laufstar aber viel Zeit für seine vielen Fans und schrieb unzählige Autogramme. Respekt, dass „Mocki“ trotz der schweren Zeit die sie derzeit durchlebt, viel Aufwand betreibt, um die Mukoviszidose-Regionalgruppe mit Burkhard Farnschläder zu unterstützen.
Knapp 1000 Läuferinnen und Läufer hatten ihre Voranmeldung zum 3. Siegener Marathon mit Musik zugunsten der Mukoviszidose-Regionalgruppe Siegen im Vorfeld abgegeben, aufgrund der Temperaturen, einigen Aufgaben, waren es letztlich 710 Läuferinnen und Läufer, die auch tatsächlich im Ziel ankamen. „Damit sind wir auf dem Niveau von vor zwei Jahren und ich bin aufgrund der Wetterbedingungen absolut zufrieden“, zog Cheforganisator Martin Hoffmann ein durchweg positives Fazit. Da war es auch zu verschmerzen, dass diesmal deutlich weniger Zuschauer an die sieg-arena kamen. Sieger waren alle Sportler, die bei dieser Hitze mitgemacht haben, und lauter Sieger gab es sowieso, kommt doch der Erlös, dank der tatkräftigen Unterstützung der Sponsoren und der Startgelder, der Mukoviszidose-Regionalgruppe Siegen zugute. Mit den Veranstaltungen 2012, 2014 und jetzt 2016 wird sich die Spendensumme auf über 45 000 Euro summieren.
„Es war fürchterlich heiß, ich hab’ echt gelitten“, stöhnte im Ziel ein schweißüberströmter Jan Cahlik (Adidas Runners Zürich) aus der Schweiz. Der 24-jährige war Sieger des Halbmarathon-Rennens in 1:29:09 Stunden und mit seiner Leistung rundum zufrieden. „Toll die Stimmung mit der Musik entlang der Strecke und auch Erfrischungsstände mit Wasser und Schwämmen.“ Auch die Siegerin im Halbmarathon, Kathy Schäfers vom TuS Deuz, die in starken 1:30:01 Stunden Dritte im Gesamteinlauf war, klagte über die Hitze: „Meine Güte echt warm heute, aber die Stimmung an der Strecke mit der Musik, das war wieder super!“
Nur einem Läufer schienen die Temperaturen nicht sonderlich viel auszumachen: Dem Sieger über 10 Kilometer, dem ersten Lauf am Samstagabend, als das Thermometer immerhin noch 33 Grad zeigte. Dem Feld enteilt lief Simon Huckestein von der SG Wenden in 33:52,4 Minuten ins Ziel und hatte damit über fünf Minuten Vorsprung auf die Nächstplatzierten. Als Mittelstreckler konnte der 31-Jährige der Hitze auch etwas Positives abgewinnen: „Da ist die Muskulatur schön locker und unverkrampft“. Siegerin Sandra Klein (39:12,3) vom TuS Deuz brauchte im Ziel etliche Minuten zur Erholung – doch nach einer Nacht Schlaf ging die Siegenerin dann doch am gestrigen Sonntag nochmal an den Start beim „Herbstmarathon-Test“ über 29,5 Kilometer – und bei dem gewann die 42-Jährige sogar den Gesamteinlauf in 2:06:08 Stunden.
Im Marathonlauf gab es dann eigentlich gleich zwei Sieger: Jens Jung vom TSV Siegen und Pawel Kaszyca aus Kreuztal. Jens Jung hatte den Frühstart um 7 Uhr genutzt und wurde im Ziel in neuer Bestzeit von 2:55:57 Stunden als klarer Sieger gefeiert. Doch dann musste der 35-Jährige dem Lauf um 8.30 Uhr entgegenzittern – würde seine Zeit Bestand haben? Es war dann der Pole Pawel Kaszyca, in Siegen mit einer Bestzeit von 2:38 Stunden angetreten, der trotz der steigenden Hitze in 2:51:58 Stunden deutlich schneller war. Schnellste Frau im Gesamteinlauf war Verena Mühl aus Haiger in 3:44:30 Std.
Doch in Siegen ist der Halbmarathon und auch der Marathon nicht nur etwas für Einzelsportler – hier ist auch Teamgeist gefragt. 22 Staffeln mit je fünf Läufern nahmen die Halbmarathonstrecke, 12 Staffeln sogar die Marathondistanz unter ihre Füße, ein echter Laufspaß für Vereine und Familien. Bei den Halbmarathonstaffeln reckte am Ende der TuS Kaan-Marienborn den Pokal in die Höhe, bestes Fünfer-Team über die Marathondistanz war der TuS Deuz.
Die wahren Helden des 3. Siegener Marathon mit Musik waren jedoch die 13 Läufer, die beim Triple über 10 Kilometer, Halbmarathon und Marathon, also an den zwei Wettkampftagen über insgesamt 73,3 Kilometer, ins Ziel kamen. Schnellster in dieser Gesamtwertung war Maximilian Henkel vom TuS Kaan-Marienborn in der Gesamtzeit von 5:43:12 Stunden (43:25/1:37:21/3:22:25). Neu war die Wertung der Siegener Stadtmeisterschaft. Hier wurden die Leistungen in Relation zu den aktuellen Weltrekorden in den jeweiligen Altersklassen ausgewertet. Danach erzielte das beste Resultat der 66-jährige Gerhard Schneider vom TuS Deuz über 10 Kilometer mit 41:06 Minuten, gleichbedeutend mit 84 Prozent des Weltrekordes. Platz 2 belegte Sandra Klein (SG Wenden) mit 39:12 (80,7 %).
Die meisten Teilnehmer der Veranstaltung stellte der erst vor Kurzem gegründete Lauftreff „Inklusive Begegnungen“ mit 71 Anmeldungen, Rang 2 belegte der TuS Kaan-Marienborn mit 65 und die Drittmeisten Teilnehmer stellte der VfL Wehbach (47).
Laufsport gepaart mit stimmungsvoller Musik entlang der Strecke, der Erlös bestimmt für einen sozialen Zweck und mit dem Inklusionsgedanken ein wichtiges gesellschaftliches Thema in der Praxis umgesetzt – das Konzept des Siegener Sparkassen-Marathon mit Musik geht auf. Eine Neuauflange 2018 ist für alle Beteiligten mehr als wünschenswert.
Anmerkung: Ergebnisse folgen in der Dienstag-Ausgabe der Siegener Zeitung.
Siegener Zeitung vom 15.8.2016
Pressebericht zum 25-jährigen Bestehen des Mukoviszidose e.V., Regionalgruppe Siegen
Regionalgruppe Siegen seit 25 Jahren aktiv
Als Birgit Gerhardus 1991 gemeinsam mit anderen Betroffenen und Angehörigen die Regionalgruppe Siegen des MUKOVISZIDOSE e.V. gründete, lag die durchschnittliche Lebenserwartung von bei 18 Jahren. Birgit Gerhardus selbst war zuvor als junge Mutter mit Mukoviszidose diagnostiziert worden. Ein medizinisches, therapeutisches und psychosoziales Netz gab es nicht. Über den Bundesverband des Mukoviszidose e.V. erhielt sie wichtige Informationen, die sie letztlich zur Gründung der Regionalgruppe Siegen veranlasste.
Mukoviszidose ist eine der häufigsten, angeborenen Stoffwechselerkrankungen in Europa. Rund 8.000 – 10.000 Kinder, Jugendliche und Erwachsene leben in Deutschland mit der bis heute unheilbaren Krankheit. Wichtigste Kennzeichen sind: chronischer Husten, schwere Lungenentzündungen, Verdauungsstörungen und Untergewicht. Mukoviszidose bedeutet eine immer weiter voranschreitende Gewebeveränderung lebenswichtiger Organe wie Lunge, Bauchspeicheldrüse, Leber und Galle.
Mukoviszidose ist heute immer noch unheilbar. Der Krankheitsverlauf ist fortschreitend und führt zum Tod. Dank intensiver Forschung und Therapieförderung können heute viele Patienten das Erwachsenenalter erreichen. Mit Mukoviszidose zu leben bedeutet viele Veränderungen im täglichen Ablauf hinzunehmen: mehrstündige Inhalationen, Physiotherapie und häufige Klinikaufenthalte gehören dazu. Hinzu kommt die kontrollierte Medikamenteneinnahme von Antibiotika, Cortison, Antimykotika, Pankreasenzyme sowie Mineralien und Vitamine zur Nahrungsergänzung.
Als eine der wichtigsten Veränderungen während der letzten 25 Jahre beschreibt Birgit Gerhardus: „Wenn damals jungen Eltern bei der Geburt ihres Kindes mit Mukoviszidose eine durchschnittliche Lebenserwartung von ca. 18 Jahren prognostiziert wurde, bekommen sie heute bei dieser Diagnose eine Lebenserwartung von ca. 36 Jahren mitgeteilt. Das ist eine erhebliche Verbesserung, an der neben vielen anderen Selbsthilfeinitiativen auch unsere Regionalgruppe Siegen durch ihre engagierte Arbeit ihren Anteil hat.
So bietet die Regionalgruppe Siegen des Mukoviszidose e.V. bei ihren regelmäßigen Gruppentreffen Beratungen zu medizinischen, therapeutischen und psychosozialen Fragestellungen sowie Erfahrungs- und Informationsaustausch an. Die Regionalgruppe Siegen arbeitet eng mit Versorgungszentren in Siegen, Gießen und Essen zusammen. Darüber hinaus initiiert sie gezielt öffentlichkeitswirksame Aktionen, um die Erkrankung bekannter zu machen und Spenden für Projekte in der Mukoviszidoseforschung zu sammeln.
Unter anderem unterstützt die Regionalgruppe Siegen Klimamaßnahmen, Sportprojekte, Arzt- und Therapeutenstellen, ausgewählte Forschungsprojekte im Bereich der Medizin, Pharmazie und Physiotherapie sowie Schulungen, Fortbildungen, Fachtagungen im gesamten Versorgungsbereich. Auch im Jubiläumsjahr sind bereits einige Projekte gestartet. Anfang April fand in Niederfischbach eine Fortbildung zur Atemtherapie bei Mukoviszidose für interessierte Physiotherapeuten aus der Region statt.
Ebenfalls im April startete die Regionalgruppe Siegen das von der Aktion Mensch geförderte Projekt „Inklusive Begegnungen – Miteinander Laufen und Musizieren.“ Durch die eigene Entwicklung in der Selbsthilfearbeit, insbesondere die zahlreichen Aktivitäten im Bereich der Öffentlichkeitsarbeit zur selbstverständlichen Teilhabe am kulturellen Leben und an Angeboten zur Erholung, an Freizeit- und Sportaktivitäten, möchte sich die Regionalgruppe Siegen aktiv und mit geeigneten Maßnahmen in die aktuelle Diskussion um die selbstverständliche Teilhabe aller Menschen mit Beeinträchtigung einbringen.
Mit diesem Ansatz nahm die Selbsthilfegruppe am 17. Juni diesen Jahres an der Fachtagung „Sport ist Viel(falt)!“ teil und bewarb sich erfolgreich beim Inklusionspreis des Landes Nordrheinwestfalen. Momentan bereiten sich die Verantwortlichen der Selbsthilfegruppe mit Hochdruck auf die Durchführung des 3. Siegener Sparkassenmarathons mit Musik am 27. und 28. August vor, für den sich interessierte Läuferinnen und Läufer anmelden können. „Mit dieser Großveranstaltung,“ so Burkhard Farnschläder, Sprecher der Regionalgruppe Siegen, „möchten wir alle Menschen ansprechen, die im wahrsten Sinne laufend etwas Gutes tun wollen.“
Weitere Informationen: marathon.anlauf-siegen.de
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– Die Mukoviszidose Regionalgruppe Siegen beim 1. Marathon mit Musik 2012